Keramischer Mummenschanz trifft Reliktfotografie

Den Kopf erhoben und mit wachem Blick sticht die breitbeinige Erscheinung des Stiers mit Musikplatte sofort ins Auge. Erhaben thront er über den anderen Exponaten der aktuellen Ausstellung in der Kleinen Galerie, so als stünden sie unter seinem Schutz. Wer es wagt, die Türschwelle zu übertreten, begibt sich in eine farbenfrohe Welt aus Keramiken und Fotografien, die von den Künstlerinnen und dem Galerieteam geschmackvoll platziert und in Szene gesetzt wurden.

Gleich zwei Plastiken traten an zur doppelsinnigen Handwäsche. Bild: Florian Knoch.

Und so tummeln sich unter den Blicken des Stiers der Karierte und die Akrobaten, Dick und Dünn und der Habenix. In der hinteren Fensternische blickt der Wisent verwundert auf den Karneval, während inmitten kissengleicher Plastiken Handwäsche betrieben wird. Die Keramiken in dieser Ausstellung sind so vielfältig und verspielt wie ihre Namen. Geschaffen wurden sie von Ina OttO. Die gebürtige Schleizerin ist bereits seit 1976 freiberuflich als Künstlerin tätig. Und so verwundert es nicht, dass die Künstlerin Alltägliches gekonnt und treffend in drei Dimensionen karikiert.

Dick und Dünn (im Bild) oder auch Meinetwegen: In der Formensprache der Plastiken wird Abstraktes ganz konkret.

Treffend ist auch der Name der Ausstellung, „VIS-À-VIS“. Die Keramiken sehen sich einer Auswahl von Fotografien der Künstlerin Adelheid Liebetrau gegenüber. Großformatig zeigt sie Landschaftsbilder, historische Aufnahmen und eindringliche Charakterstudien. In den Vordergrund rückt wiederholt die Entstehungszeit der Bilder zwischen 1990 und 2021. Im vereinten Deutschland aufblitzende Fragmente sowjetischer Vergangenheit lenken den Blick zurück, während mit den Enkeln der Künstlerin in Little Berlin eine neue Generation heranwächst.

Auf Adelheid Libetraus Fotografien begegnet dem Betrachter manches Relikt aus der Zeit der deutschen Teilung. Bild: Florian Knoch.

Beide Künstlerinnen kennen sich aus der gemeinsamen Schulzeit an der Schleizer EOS. Nach je zwei Ausstellungen in den Räumen der Alten Münze sind ihre neueren Arbeiten erstmals gemeinsam in der Kleinen Galerie zu bestaunen. Mit einer Laudatio von Diplom-Metallgestalterin Petra Pfeufer wurde die Ausstellung am 5. Mai 2023 eröffnet. Einmal mehr umramte Amélie Reißig die Vernissage musikalisch und mit großer Fertigkeit.

Violonistin Amélie Reißig (v.) und Laudatorin Petra Pfeufer (h.) gestalteten das Rahmenprogramm der Vernissage. Bild: Uta Müller.

Die Ausstellung bot außerdem Gelegenheit, den Staffelstab der Galerieleitung weiterzureichen. Erfreulicherweise konnte die Galerie Jochen Lehmann für dieses Amt gewinnen, der lange Jahre die Kunsterziehung in Thüringen geprägt hat. Jürgen K. Klimpke, der Vorsitzende des Schleizer Kulturbund e. V., überreichte ihm symbolisch den goldenen Pinsel.

Jürgen K. Klimpke (r.) übergibt den symbolischen goldenen Pinsel an den neuen Galerieleiter Jochen Lehmann (l.). Bild: Uta Müller.

„VIS-À-VIS“ ist noch bis zum 26. August 2023 zu sehen. Geöffnet ist die Kleine Galerie Montag bis Freitag 9 bis 13 Uhr, Dienstag und Donnerstag zusätzlich 13.30 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag 13.30 bis 16 Uhr.

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